Salvador de Bahia – Ein Nachmittag auf der Halbinsel Itapagipe
von Chris Tokple
Chris Tokples Lieblingsstadt in Brasilien ist Salvador. Die Stadt mit dem anmutigen, historischen Namen São Salvador da Bahia de Todos os Santos befindet sich im Bundesstaat Bahia an der sogenannten „Allerheiligenbucht“, eine der größten Meeresbuchten im Südatlantik. Da er jedoch auch immer daran interessiert ist, Städte abseits der touristischen Pfade zu erkunden, hat er an einem Nachmittag etwas Besonderes geplant…
Bahia und Salvador sind für die Geschichte Brasiliens sehr wichtig. Im Jahre 1500 ging in Bahia offiziell der erste Portugiese an Land des neuen Kontinents. Ein Jahr später erreichte Amerigo Vespucci, der Namensgeber Amerikas, die Bucht bei Salvador und im Jahre 1549 wurde Salvador zur ersten Hauptstadt Brasiliens ernannt. Daher findet man in der Stadt viele interessante historische Orte, allen voran das Pelourinho, in dem sich die historische Altstadt befindet. Dieses Viertel zählt zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt. In den 90er-Jahren erreichte dieser Stadtteil zusätzliche Bekanntheit, nachdem Michael Jackson dort ein Musikvideo mit Olodum, der wichtigsten Musikgruppe der Stadt, drehte. Das Viertel hat sehr viel zu bieten und sollte unbedingt besucht werden. Da ich jedoch immer daran interessiert bin, Städte abseits der touristischen Pfade zu erkunden, habe ich für diesen Nachmittag etwas Besonderes geplant.
Die Festung Monte Serrat und der Strand Boa Viagem
Mein Ziel ist die Halbinsel Itapagipe, die sich im Nordwesten Salvadors befindet und problemlos per Bus oder Taxi erreicht werden kann. Außer Sonnenmilch, etwas Kleingeld und meiner Kamera habe ich nicht viel dabei. Empfehlenswert sind gegebenenfalls auch Badesachen.
Mit dem Taxi fahre ich bis zum Forte de Nossa Senhora de Monte Serrat, eine Festung aus dem 16. Jahrhundert. Vor dem Gebäude ist nicht viel los, lediglich zwei Straßenhändler versuchen mir Erfrischungsgetränke zu verkaufen. Der Eintritt ist kostenlos. In der Festung selbst gibt es nicht viel zu sehen. Allerdings hat man von hieraus eine völlig neue, sehenswerte Perspektive auf die Stadt. Im Vordergrund befindet sich der Strand Praia da Boa Viagem. Dieser schmale Stadtstrand mit erstaunlich klarem Wasser wird hauptsächlich von Einheimischen besucht. Bei einem kühlen Bier oder frischem Kokoswasser lassen es sich die Strandbesucher hier gutgehen. Mein Blick wandert über diesen Strand, bis zum Güterhafen und weiter. Deutlich lassen sich die Grundzüge der Altstadt erkennen, die sich knapp 70m über dem Meeresspiegel erhebt. Mein Blick wandert weiter, bis zum Anfang der Allerheiligenbucht, wo sich die vielen Hochhäuser der wohlhabenderen Stadtviertel Barra und Vitoria befinden. Der Anblick ist interessant und eindrucksvoll, da ich mich bisher lediglich auf der anderen Seite der Bucht aufgehalten habe.
Die Kirche und Kappelle Monte Serrat
Von der Festung aus laufe ich eine schmale Straße Richtung Osten entlang. Auch hier ist nicht viel los, vielleicht weil es gerade 13 Uhr ist und die meisten Leute die Mittagssonne meiden. Außer ein paar Jungs, die auf einem Bolzplatz verschnaufen, sehe ich kaum Menschen auf der Straße. Nach knapp 200m erreiche ich meine nächste Etappe. Auf einem Steg befindet sich die kleine Kirche und Kapelle Igreja e Mosteiro de Nossa Senhora do Monte Serrat. Die Kirche wurde im 16. Jahrhundert gebaut und sieht von außen renovierungsbedürftig aus. Daher bin ich auch überrascht, als ich einen gut erhaltenen Innenraum mit einem vergoldeten Altar vorfinde. Ich laufe einmal um die Kirche und setze mich dann an den Steg, um einige Fischer beim Angeln zu beobachten. Nicht weit von den Fischern tummelt sich eine große Gruppe Jugendlicher, die sich gegenseitig mit gewagten Sprüngen vom Steg ins Wasser imponieren. Nach einigen Minuten entdecke ich im Wasser einen Speerfischer, der unweit des Steges auftaucht. Auf einem Brett, das er mit sich durchs Wasser zieht, sehe ich seine bisherige Ausbeute: drei Fische und drei Hummer – alle weisen ein großes Loch in der Mitte ihres Körpers auf. Es gibt hier viel zu beobachten, allerdings muss ich weiter. Ich habe mir für heute vorgenommen, bis auf die andere Seite der Halbinsel zu laufen und muss daher diesen kleinen idyllischen Ort verlassen.
Die Kirche Igreja Nosso Senhor do Bonfim
Ich gehe zurück in Richtung der Festung und verlasse dann die Küste. Was mich unter anderem an Salvador fasziniert, sind die vielen Hügel und Berge innerhalb der Stadt, die sich bis auf über 70 Meter erheben. Steile Straßen, Seilbahnen und der berühmte Aufzug Elevador Lacerda prägen hier das Stadtbild. Ich bin überrascht, dass es auf dieser kleinen Halbinsel auch steil bergauf geht, während ich in Richtung der Kirche Igreja Nosso Senhor do Bonfim laufe, welche meine nächster Anlaufpunkt ist. Umso näher ich der Kirche komme, desto weiter laufe ich bergauf. Auf dem Weg passiere ich einige kleine Lokale, in denen es kalte Getränke und kleine Snacks gibt. Die meisten dieser Lokale bieten einen Panoramablick über die Bucht und die Stadt, den ich so gar nicht erwartet hätte. In einem dieser Lokale mach ich eine Pause, um den Ausblick zu genießen und mich mit dem landestypischen Erfrischungsgetränk Guarana zu stärken. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Besitzer des Lokals geht es die letzten Meter in Richtung der Kirche Bonfim.
Ich habe Glück, denn heute ist vor der Kirche nicht viel los, vielleicht auch weil sich hier zurzeit eine riesige Baustelle befindet. Die Kirche Bonfim ist für die Bewohner Salvadors eine besondere Kultstätte, da hier jährlich eines der größten Stadtfeste stattfindet. Katholiken, sowie Anhänger des Candombles, treffen sich hier jeden 2. Donnerstag im Jahr, um die Stufen und den Platz vor der Kirche zu reinigen. Dieses Ritual wird mit viel Musik, Gesang und den typischen Speisen Bahias zelebriert. Auch die vielen bunten Armbändchen, die überall in der Stadt, und insbesondere an Touristen verkauft werden, haben hier Ihren Ursprung. In einem Nebenraum der Kirche entdecke ich einen Saal, in dem viele kleine Plastik-Körperteile an der Decke hängen. Die Körperteile, Arme, Beine, Köpfe und viele mehr, sind mittels der bunten Bändchen an der Decke befestigt. Es schaut etwas bizarr aus, weist aber auf einen weiteren Kult rund um diese Kirche hin. Gläubige, meist mit schweren oder unheilbaren Krankheiten, pilgern hierher und lassen symbolisch einen Teil ihres kranken Körpers in der Kirche, in der Hoffnung, dadurch geheilt zu werden.
Der Stadtteil Ribeira
Ich verlasse die Kirche und laufe nun weiter in Richtung Nordost. Die letzte Etappe an diesem Nachmittag ist der Stadtteil Ribeira. Hier lerne ich nochmal ein ganz anderes Salvador kennen. Als ich die Avenida Beira Mar hochlaufe, erinnert mich alles an ein kleines Fischerdorf, jedoch nicht an eine Metropole mit drei Millionen Einwohnern. Die einspurige Straße verläuft unmittelbar am Strand, an dem viele Kinder im Wasser spielen. Auf dem Gehweg wird provisorisch gegrillt und ein Feierabend-Bier getrunken, während die letzten Fischerboote nahe dem Ufer festmachen. Samba-Musik dröhnt von weit her. Die Wellen sind sehr klein und gleichmäßig, wahrscheinlich, weil dieser Strand sich schon tief innerhalb der Bucht befindet. Die Sonne ist mittlerweile tief am Horizont. Ich schlendere weiter bis zum Strand Praia da Ribeira und mache hier noch einmal Halt, um einen schönen Sonnenuntergang zu genießen.
Wie auf allen Etappen dieser kleinen Tour fühle ich mich auch hier sehr sicher. Ribeira ist insbesondere bekannt für die gleichnamige Eisdiele, die sich unweit von diesem Strand befindet. Das traditionsreiche Lokal bietet mehr als 50 Eissorten an. Einige werden aus exotischen Früchten, wie z.B. Cupuaçu, Biribiri, Guave, Jackfrucht oder Graviola hergestellt. Da mir einige einheimische Freunde den Besuch dieser Eisdiele unbedingt empfohlen haben, beende ich meine Tour dort mit einem Eis, das zweifelsfrei der krönende Abschluss dieses schönen Tages ist.